Pflanzenkauf mit Überraschung: Zahlreiche potenziell schädliche Arten – darunter Insekten und Pilze, aber auch Eidechsen und Giftschlangen – gelangen über den internationalen Handel mit Zierpflanzen nach Europa, wie eine Studie bestätigt. Unter den blinden Passagieren der vergangenen Jahre befand sich etwa eine giftige Westliche Eidechsennatter aus Portugal. Und auch abseits eingeschleppter Tiere verursacht der Zierpflanzenhandel zahlreiche Umweltprobleme, wie das Team berichtet.
Invasive Arten wie die Rippenqualle und die Asiatische Hornisse gefährden die heimische Artenvielfalt. Einer der Wege, wie gebietsfremde Spezies von ihren Heimatland zu neuen Ufern gelangen, ist dabei der Handel mit Zierpflanzen, Blumenzwiebeln und Schnittblumen. „Die schiere Menge an Schnittblumen und Zierpflanzen, die weltweit in rasantem Tempo gehandelt werden, macht es äußerst schwierig, alle Schädlinge und Krankheiten abzufangen, die sie mit sich bringen. Immer wieder kommen unerwünschte Anhalter durch die Einfuhrkontrollen des Zolls“, erklärt Seniorautor Silviu Petrovan von der University of Cambridge.
Per Anhalter durch den Zoll
Er und seine Kollegen haben nun erstmals versucht, das gesamte Ausmaß des Problems zu ermitteln. Eine internationale Datenbank über die Arten, die über Zierpflanzen versehentlich mitimportiert werden, gibt es derzeit noch nicht. Stattdessen wertete das Team daher Aufzeichnungen des niederländischen Zolls aus den Jahren 2017 und 2018 sowie Meldungen an das britische Umweltministerium für die Jahre 2021 bis 2023 aus.
Das Ergebnis: Allein vom niederländischen Zoll wurden an Importpflanzen rund 1.400 Insekten, circa 100 blinde Passagiere aus der Klasse der Spinnentiere und elf aus der Klasse der Schnecken und Springschwänze entdeckt. In Großbritannien kam das Team um Erstautorin Amy Hinsley von der University of Oxford auf 390 Insekten, 36 bakterielle Pflanzenschädlinge und über 30 Pilze.
„Blinde Passagiere“ noch weit unterschätzt
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: „In Anbetracht der Schwierigkeit, große Mengen von Topfpflanzen und Schnittblumen auf Wirbellose, Pilze und Mikroorganismen zu überprüfen, ist es wahrscheinlich, dass diese Funde nur einen kleinen Teil der gesamten Schädlinge in den Importen ausmachen“, betonen die Forschenden. Zu den Pflanzen mit den höchsten Einfuhrquoten blinder Passagiere gehörten Nachtschattengewächse, Chrysanthemen aus Kolumbien sowie Rosen aus Kenia und Uganda, wie das Team herausgefunden hat.
Gute Bedingungen bieten auch importierte Bäume, wie Koautor William Sutherland von der University of Cambridge erklärt: „Zierolivenbäume, die in Großbritannien zum Verkauf stehen, können über 100 Jahre alt sein und bieten viele Verstecke unter ihrer knorrigen Rinde und der Erde, in der sie transportiert werden. Das ist ein unglaubliches Risiko für die Einschleppung von Schädlingen.“
Ein Frosch im Rosenstrauß
Doch nicht nur winzig kleine Lebewesen werden bei Zollkontrollen von Zierpflanzen immer wieder aufgegriffen, wie Hinsley und ihre Kollegen herausgefunden haben. Auch ausgewachsene Schlangen, Eidechsen und Frösche kommen dabei hin und wieder zum Vorschein – wenn auch in deutlich geringeren Zahlen als kleinere blinde Passagiere.
Petrovan erinnert sich in diesem Zusammenhang an einen Fall, bei dem er in einen Blumenladen im englischen Sheffield gerufen wurde, um einen lebenden Frosch zu identifizieren, der dort in den Rosen gefunden wurde. Er stellte sich schließlich als „Einwanderer“ aus Ecuador heraus. „Einen südamerikanischen Laubfrosch in einem Blumenladen in Sheffield zu finden, war außergewöhnlich. Mir wurde klar, dass es sehr schwierig sein muss, sehr kleine landwirtschaftliche Schädlinge oder deren Eier aufzuspüren, wenn ein solch empfindliches kleines Wirbeltier lebend in einer Blumensendung ankommt, ohne dass der Zoll es bemerkt“, so Petrovan.
Auch einige Eidechsen und Schlangen dabei
Insgesamt etwas mehr als 50 Fälle von größeren Wirbeltieren in Pflanzenimporten konnte das Team identifizieren. Am häufigsten handelte es sich dabei um aus Italien eingeschleppte, bis zu 25 Zentimeter lange Ruineneidechsen (Podarcis siculus). Auch Schlangen gelangen immer wieder über den Zierpflanzenhandel nach Europa, wie die Forschenden ermittelt haben.
Dazu gehörten in den vergangenen Jahren etwa eine aus Portugal eingeschleppte Westliche Eidechsennatter (Malpolon monspessulanus), deren Biss auch bei Menschen zu ernsthaften Vergiftungen führen kann, sowie eine ungiftige Vipernatter (Natrix maura) aus Südeuropa. Auch zwei südamerikanische Baumschlangen der Spezies Sibon nebulatus, eine aus Südostasien eingeschleppte Oligodon octolineatus und eine ungiftige Blumentopfschlange (Indotyphlops braminus) sind bereits über Pflanzenimporte eingereist.
Die Forschenden weisen in diesem Zusammenhang vor allem auf die Gefahr von Krankheiten hin, die über Reptilien und Amphibien eingeschleppt werden könnten. So dient die auf Teneriffa heimische Kanareneidechse (Gallotia galloti) zum Beispiel als Zwischenwirt für den Rattenlungenwurm (Angiostrongylus cantonensis), der bei Menschen zu schweren Hirnhautentzündungen führen kann.
Umweltprobleme reichen noch weiter
Die von potenziell invasiven Arten ausgehende Gefahr ist aber längst nicht das einzige Umweltproblem, das der internationale Zierpflanzenhandel mit sich bringt. Wie Hinsley und ihre Kollegen herausgefunden haben, gelangen durch Anbau und Verarbeitung der Pflanzen zum Beispiel Mikroplastik, Pestizide und andere Chemikalien in die Landschaft. Darüber hinaus verschlingt die Zierpflanzenindustrie riesige Wassermengen. In Kenia beansprucht die Blumenzucht beispielsweise 98 Prozent des Wassers, das aus großen Seen wie dem Naivashasee entnommen wird.
Auch der Transport der grünen Ware schadet der Umwelt. So entstehen bei der Beförderung von Schnittblumen von Kontinent zu Kontinent Schätzungen zufolge bis zu drei Kilogramm CO2 pro Blume. Außerdem werden einige Pflanzen nicht extra für den Handel gezüchtet, sondern einfach aus der freien Natur entnommen, darunter auch vom Aussterben bedrohte Kakteen-, Sukkulenten- und Orchideenarten, wie die Forschenden berichten.
Zertifikate als Lösung?
Doch wie ließen sich die zahlreichen Probleme des Zierpflanzenhandels lösen? Einen Wirtschaftszweig, der jedes Jahr über 20 Milliarden US-Dollar einspielt, einfach einzustampfen, steht schließlich außer Frage. „Wir wollen auf keinen Fall zu Kurzschlussreaktionen ermutigen, die vielleicht gut gemeint sind, aber in Wirklichkeit mehr Probleme verursachen als lösen“, sagt auch Petrovan. „Wir müssen darauf drängen, dass die Branche durch Dinge wie Zertifizierungen und eine bessere Regulierung nachhaltiger wird, und wir müssen mit den am Handel Beteiligten zusammenarbeiten, um die Risiken besser zu verstehen und sie zu mindern.“
Koautorin Alice Hughes von der Universität Hongkong ergänzt: „Wir müssen verantwortungsbewusste Verbraucher sein. Während Zertifizierungsstandards entwickelt werden, kann der Kauf von Topfpflanzen anstelle von Schnittblumen viele der Risiken verringern, die mit der Einfuhr von Schnittblumen verbunden sind. Sie halten viel länger und reduzieren auch die Emissionskosten.“ (BioScience, 2024; doi: 10.1093/biosci/biae124)
Quelle: University of Cambridge